Die nahende Handball-EM ist für Deutschland aus zwei Gründen besonders wichtig. Erstens ist man Titelverteidiger und würden den Coup von vor zwei Jahren nur zu gerne wiederholen. Zweitens ist es das erste große Turnier des neuen Bundestrainers Christian Prokop. Der DHB zahlte dessen bisherigem Arbeitgeber Leipzig eine sechsstellige Summe, um ihn für den Posten als deutscher Nationalcoach loszueisen. Prokops erste Personalentscheidungen sorgen allerdings für heiße Diskussionen. Bei der Vorstellung des vorläufigen deutschen EM-Kaders sind einige verdiente Spieler außen vor geblieben.
Lehmke und Dahmke nur auf Abruf
Prokop hatte mit 20 Akteuren ein Trainingslager durchgeführt, das zugleich ein Casting war. Der Bundestrainer darf nur 16 Spieler mit zur EM nehmen. Vier Akteure waren also zu streichen, die fortan nur auf Abruf bereitstehen. Passiert nichts mehr, so müssen die vier Spieler die EM im TV verfolgen. Dieses Los traf Marian Michalczik, Rune Dahmke, Finn Lemke und Fabian Wiede. Insbesondere die Nicht-Berücksichtigung Dahmkes (THW Kiel) und Lehmkes (MT Melsungen), beide unter den deutschen EM- und Olympia-Helden, sorgte für heiße Diskussionen. In Lehmkes Lager sprach man sogar von einem „Schock“. Vertreter von Melsungen erklärten öffentlich, sie könnten nicht verstehen, wie man ohne Not auf eine solche Qualität verzichten könne, wie sie der Abwehrspieler mitbringe.
DHB und Prokop verteidigen Kader
Der Bundestrainer und der DHB hatten wohl schon mit einem derartigen Aufschrei gerechnet und sich ihre Verteidigung sorgsam zurechtgelegt. Prokop erklärte, er habe sich nicht gegen vier Spieler, sondern für 16 Akteure entschieden. Es sei eine „sehr harte Auswahl“ gewesen. Vom Verband hieß es, dass man den neuen Coach nicht verpflichtet habe, damit der populäre Entscheidungen treffe, „sondern die richtigen.“
Aber Prokop und der DHB wissen auch, dass auf dem Platz abgerechnet wird. Ist das deutsche Team bei der EM erfolgreich, wird nie wieder über den Kader diskutiert werden. Enttäuscht die Mannschaft dagegen, werden die Namen Lehmke und Dahmke den Bundestrainer und den Verband wie einen Fluch verfolgen.